Besenbinden

Wer von euch hat sich schon jemals ernsthafte Gedanken über einen Besen gemacht? Ich jedenfalls nicht, nicht bis zu jenem schönen Tag im April. Besenbindekurs am Kunzenhof- ich hatte keine großen Erwartungen, doch wenn dann wären sie sicher übertroffen worden!

Mit mir vertraut schwäbischem Akzent bringt uns Herr Werner sein Handwerk näher, das er selbst von seinem Vater erlernt hatte. Stolz zeigt er uns seine selbst geschaffenen Kunstwerke: Hexenbesen, Kehrbesen, kleine Besen für Spinnenweben. Dabei handelt es sich um reine Naturerzeugnisse: Birkenreisig, Weidenruten, ein Stiel aus Fichte oder Haselnuss- und sonst nichts! Andernorts wird z.B. auch Ginster, Heidekraut oder Reisstroh statt dem Birkenreisig verwendet, ebenso Stiele aus Esche oder anderen Hölzern. Landwirte und Stadtverwaltungen kaufen seine Besen, weil sie in Ställen und auf gepflasterten Straßen teilweise bessere Arbeit leisten und nicht so schnell kaputt gehen wie die allgegenwärtige Alternative, der Kunststoffbesen. Außerdem bleiben keine Plastikborsten zurück, die für Tiere gefährlich werden können. Doch seine Kunden nutzen die Besen nicht nur zum Kehren oder für den Karnevalsumzug, sie seien auch als Rustikaldeko oder zum Massieren beliebt, lässt er uns wissen.

Beim Besenbindehandwerk handelte es sich im Mittelalter um eine saisonale Tätigkeit im bäuerlichen Alltag- im Winter wurden Reisig und Weide geschnitten, im Frühjahr die Besen gebunden. Viele Besenbinder betrieben ihre Arbeit auch als Wandergewerbe und zogen von Dorf zu Dorf, um die lokalen Materialien zu verarbeiten. Die  Erfindung des Drahtes erleichterte schließlich die Arbeit, doch von da an war der Weg hin zur industriellen Fertigung nicht mehr weit. Seit der industriellen Produktion ist das Besenbindehandwerk in unseren Breiten beinahe ausgestorben. Der Lohn eines Besenbinder war schon immer dürftig, oft stellten sie zusätzlich Körbe und Bürsten her, um ihr Einkommen aufzubessern.

Auch heute kann nicht daran gedacht werden, von dem Handwerk zu leben: es dauert inklusive Materialbeschaffung ungefähr 3-4 Stunden, bis ein Besen komplett fertiggestellt ist, verkauft wird er von Herrn Werner zu ca. 8€. Wer jedoch einmal selbst einen solchen Besen hergestellt hat, lernt ihn auf ganz neue Art zu betrachten. Es kostet doch eine ganze Menge Zeit und Kraft, einen solchen Besen zu fertigen. Die Düfte des Birkenreisigs und der frischen Weidenruten sind da nur einer der vielen Gründe mehr dafür, das Handwerk des Besenbindens wertzuschätzen.

Die Herstellung eines Besens ist prinzipiell nicht schwierig, es braucht allerdings etwas Übung und kräftige Finger. Außerdem gibt es ein paar Tricks, mit denen man sich das Leben einfacher macht. Im Prinzip geht es aber so: Zunächst werden ungefähr drei Hand voll Birkenreisig mit einer mit dem Schnitzmesser (bei Besenbindern Hiebe genannt) angespitzten Weidenrute so fest wie möglich zusammengebunden. Dabei kann ein Schraubenzieher (Versenker genannt)  helfen, die Weidenrute immer wieder um sich selbst zu schlingen. Eine Zange hilft, falls die Rute mit den Fingern nicht mehr zu fassen ist. Zwei weitere Weidenruten jeweils etwas oberhalb werden genauso angebracht. Eine vierte dient- locker gebunden- als oberer Halt für das Reisig. Bevor die Borsten auf den Stiel kommen, werden sie unten sauber abgesägt und mit der Gartenschere schräg angeschnitten- „damit das auch was gleich sieht“. Dann werden die Borsten auf den Stiel gesetzt und der Stiel durch mehrmaliges Schlagen gegen den Boden zwischen den Reisig getrieben. Wenn die Borsten fest sitzen werden sie zum Kehren oben in einer Linie abgeschnitten- und fertig ist der Kehrbesen! Wer möchte kann den Stiel noch entrinden und schmirgeln.

Wie bei vielen Handwerken hat auch das Besenbinden beinahe therapeutische Funktion: es ist unheimlich befriedigend und ermutigend, allein aus Naturmaterialen einen solch schönen Gebrauchsgegenstand herzustellen. Leider gerät die alte Kunst des Besenbindens zunehmend in Vergessenheit, was sich in Zukunft allerdings rächen könnte, sind doch die heutigen Alternativen nur unter hohem Energieeinsatz und ungenügend entlohnten Arbeitskräften aus fernen Ländern zu erzeugen- also unter Voraussetzungen, die uns nicht dauerhaft zur Verfügung stehen werden.

Um einen Einblick in die lebendige Vielfalt an Techniken und Materialien des Besenbindens zu geben, hier ein Video über die Herstellung eines Besens in Georgien:

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